„Aber ich bin halt trotzdem immer weitergegangen“

Shownotes

Im Rucksack nur das Nötigste, raus aus dem Alltag und immer weitergehen. „Ultreia – vorwärts“, lautet ein Pilgergruß auf dem Jakobsweg. Was macht diese Grunderfahrung mit einem? Was nimmt man am Ende mit und was lässt man hinter sich? Diese und andere Fragen haben wir der Autorin Maria Gintrowski gestellt, denn der Jakobsweg hat sie gepackt und nie wieder losgelassen. Wir sprechen mit Maria über ihre jahrelangen und prägenden Erfahrungen als Pilgerin und Herbergsmutter.

Mehr über Maria Gintrowskis literarisches Schaffen, ihre Biographie, Publikationsliste und Auszeichnungen findet Ihr hier: https://www.poetenladen.de/tina-gintrowski.html

Ausgewählte Publikationen:

  • Gintrowski, Tina Ilse Maria: PENG. Lyrikstories und andere Gedichte. poetenladen, Leipzig 2011. 80 Seiten, 16.80 Euro, gebundene Ausgabe / ISBN 978-3-940691-24-8, www.poetenladen-der-verlag.de/einzeltitel/peng

  • Gintrowski, Tina Ilse Maria: Desperangsto Love and Ich. Stories, Poemas und andere Zustände. Tauland Verlag, Köln 2024, 14,00 Euro / ISBN: 978-3-9814090-5-5, http://tauland-verlag.de/

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Eine Produktion der fairkehr-Verlagsgesellschaft mbH (www.fairkehr.de)

Redaktion: Dounia Choukri, Kristina Kühne

Transkript anzeigen

00:00:00: Wir sind Anderswo, der Podcast.

00:00:07: Mit unserem Magazin Anderswo und dem Online-Reise-Portal inspirieren wir seit vielen Jahren Menschen

00:00:13: zu nachhaltigen Reisen.

00:00:15: In unserem Podcast treffen wir Menschen, die sich für klimafreundliches Reisen engagieren.

00:00:20: Wir möchten wissen, was bedeutet nachhaltiger Tourismus für Sie und was motiviert Sie zu

00:00:26: ihrem Engagement?

00:00:27: Das ist Ihre Geschichte.

00:00:28: Ja, willkommen beim Anderswo Podcast.

00:00:31: Wir stehen kurz vor Weihnachten und vor Jahresende und da neigt man schon mal dazu, ein bisschen

00:00:35: Bilanz zu ziehen und nochmal auf die letzten Monate zurückzuschauen und sich vielleicht

00:00:39: ein paar grundsätzliche Fragen im Leben zu stellen.

00:00:42: Und dazu passt unser heutiges Thema ziemlich gut, denn heute geht es um Reisen, die das

00:00:47: Leben verändern können.

00:00:48: Genauer, es geht ums Pilgern.

00:00:50: Pilgern ist wahrscheinlich die älteste Art zu Reisen.

00:00:53: In jedem Fall lassen sich Wallfahrten bereits bei den alten Ägyptern nachweisen.

00:00:58: Bei einem vergleichenden Blick auf die großen Weltreligionen erweist sich Pilgern als ein

00:01:02: nicht nur sehr altes, sondern auch ein universelles Phänomen.

00:01:06: Betrachtet man die Herkunft des Wortes, also das lateinische Wort Peregrinus, der Fremde,

00:01:12: wird deutlich, worum es beim Pilgern geht, sich nämlich in die Fremde begeben, sich dieser

00:01:16: Situation auch einfach auszusetzen und vielleicht einiges zu überdenken.

00:01:20: Vielleicht lässt sich Pilgern also im weitesten Sinne als Reise zu sich selbst verstehen und

00:01:27: das zumindest würde erklären, warum Pilgern so hoch in Konjunktur ist, obwohl für viele

00:01:32: Menschen in Religion einfach keine Rolle mehr spielt.

00:01:34: Da Pilgern so eine individuelle und persönliche Erfahrung ist, haben wir beschlossen, dass

00:01:39: heute nicht mit einer Touristikerin zu besprechen, sondern mit jemanden, der sehr viel persönliche

00:01:45: und eigene Erfahrungen gesammelt haben.

00:01:47: Bei mir heute zu Gast, die Autorin Maria Gintrowski.

00:01:50: Herzlich willkommen, Maria.

00:01:51: Danke schön.

00:01:52: Hallo.

00:01:53: Maria könnte man schon als Pilger-Profi bezeichnen.

00:01:57: Ein Klassiker hat sie besonders angetan, nämlich der Jakobsweg.

00:02:01: Sie ist in Camino de Santiago zumindest abschnittsweise mehrfach gelaufen.

00:02:05: Wenn Maria nicht pilgert, publiziert sie regelmäßig in Literaturzeitschriften und schreibt vor

00:02:11: einem Gedichte und Kurzgeschichten.

00:02:14: Aktuell arbeitet sie an einem neuen Erzählband und hat dafür ein Arbeitsstipendium der Stadt

00:02:19: Köln erhalten.

00:02:20: Aus der Laudatio der Jury des Dieter Wellershofstipendiums zitiere ich, "Die Stories von Tina

00:02:27: Ilse Maria Gintrowski untersuchen die Brüche und Risse im vermeintlich normalen und weiter,

00:02:33: ihre Texte handeln von Figuren, die in ihrer Welt den Fokus verloren zu haben scheinen

00:02:39: und sich in ihrer Rolle neu definieren müssen."

00:02:42: Klingt verdächtig nach literarischen Pilgern.

00:02:44: Maria, bevor ich meine Fragen los werde, lassen wir noch mal den letzten Podcast-Gast

00:02:50: zu Wort kommen.

00:02:51: Das war Bruno Peters von Elan Sportreisen.

00:02:53: Und wie immer, in unserem Podcast hat auch er am Ende für den nächsten eine Frage hinterlassen

00:02:59: und seine Frage an dich lautet.

00:03:01: Mich würde tatsächlich interessieren, was bei Urlaubsplanung für dich wichtig ist.

00:03:09: Was hat den höchsten Stellenwert für dich, wenn du einen Urlaub planst?

00:03:13: Und damit verbunden natürlich auch die Frage, inwieweit ist es wichtig, dass vorher schon

00:03:23: die Nachhaltigkeit damit drin ist?

00:03:25: Oh, komplexe Frage.

00:03:27: Also dazu müsste ich erstmal sagen, dass ich so mit dem Wort Urlaub gar nicht so furchtbar

00:03:35: viel anfangen kann, sondern vielleicht eher mit dem Wort Reisen.

00:03:39: Wenn ich meine Reisen plane, ja, ich würde sagen, das allerwichtigste ist erstmal das

00:03:47: Gefühl aus dem Bauch aus, also wo zieht es mich hin?

00:03:51: Und dann zu gucken, wie kann ich das realisieren?

00:03:55: Ja, erzähl das doch mal.

00:03:57: Seit wann pilgerst du, wie hat das alles angefangen?

00:03:59: Also angefangen mit dem Pilgern hat es 2008.

00:04:04: Ja, meine Motivation war eigentlich Verzweiflung oder Radlosigkeit.

00:04:11: Mir ging es zu der Zeit überhaupt gar nicht gut.

00:04:15: Ich hatte schon verschiedene Sachen ausprobiert, um zu versuchen, dass es mir wieder besser

00:04:21: geht.

00:04:22: Ich habe lange Therapie gemacht und alle möglichen Dinge.

00:04:26: Und habe aber immer noch, also 2008 war es immer noch so, dass ich einfach nicht wusste,

00:04:33: wohin.

00:04:34: Und dann kamen verschiedene Dinge zusammen.

00:04:38: Ich hatte vom Jakobsweg gehört natürlich, also wie ja sehr viele.

00:04:43: Allerdings habe ich nicht das halbe Kerkeling Buch gelesen erst viel später.

00:04:47: Ich hatte irgendwie das Gefühl, ich brauche was Simples, was einfaches.

00:04:54: Also ich war extrem überfordert mit der Kompliziertheit in meinem eigenen Kopf und meinem Leben und so.

00:05:00: Und ich hatte das Gefühl, ich brauche was, was ganz simpel und ganz klar ist.

00:05:05: Also und ich finde Simpler als einfach gehen, geht ja gar nicht.

00:05:10: Außerdem ein klares Ziel.

00:05:13: Und das Ziel war dann eben Santiago.

00:05:16: Ja und ich hatte schon lange das Bedürfnis.

00:05:20: Also ich habe viele Dinge in meinem Leben sehr als Last empfunden und vielleicht kennt ja

00:05:25: jeder so den Wunsch einfach wegzulaufen.

00:05:28: Das geht natürlich nicht wirklich, weil man sich ja mitnimmt.

00:05:32: Aber trotzdem hatte ich schon lange den Impuls, dass ich dachte, ich würde am liebsten aus

00:05:36: meiner Haustür rausgehen und nicht mehr wiederkommen.

00:05:38: Und genau das hast du gemacht.

00:05:40: Du bist von der Haustür losgelaufen, hast du mir erzählt?

00:05:42: Ich bin aus der Haustür losgelaufen, allerdings bin ich wiedergekommen, wie man daran merkt,

00:05:46: dass ich jetzt im Bonn sitze.

00:05:48: Genau, aber ich habe damals in Bonn auch gewohnt und ja dann habe ich irgendwann beschlossen,

00:05:55: okay, ich packe jetzt meine Sachen so wenig wie möglich und gehe einfach aus der Haustür

00:06:02: raus und versuche mal nach Santiago zu kommen.

00:06:05: Und das hast du auch geschafft?

00:06:07: Wie lange warst du unterwegs?

00:06:09: Also alles im Alm hat die ganze Reise so drei Monate gedauert, denke ich.

00:06:14: Allerdings bin ich am Anfang, war mein Plan sehr Freestyle.

00:06:19: Also ich bin nicht auf dem Jacobsweg gestartet.

00:06:21: Ich habe einfach irgendwie gedacht, ich gehe runter zum Rhein und dann immer den Rhein entlang,

00:06:27: also nicht in Flussrichtung, sondern in Richtung Quelle.

00:06:30: Und ja, mein Plan war eigentlich irgendwann, biege ich dann rechts ab nach Frankreich, durch

00:06:36: Quere Frankreich, komme dann an die Pyrenäen und ab da ist ja der Hauptjagdkopsweg, der

00:06:41: Camino Française.

00:06:42: Man könnte natürlich auch schon ab Deutschland und ab ja sehr vielen europäischen Ländern

00:06:47: nur Jacobsweg laufen, das habe ich aber nicht gemacht.

00:06:49: Bist du ganz alleine gelaufen?

00:06:52: Genau, also das war auch total wichtig für mich, dass ich das einfach wirklich nur für

00:06:56: mich mache, deswegen bin ich genau.

00:06:58: Ich bin ganz alleine losgelaufen, also sowieso, da trifft man ja auch erstmal niemanden.

00:07:03: Ich bin auch ja die ganze erste Strecke durch Deutschland und dann auch durch Frankreich

00:07:09: nicht nur gelaufen, weil manchmal ging es gar nicht.

00:07:12: Ich hatte auch kein Handy dabei, keine Karten und war einfach zwischendurch auch so ein

00:07:18: bisschen lost.

00:07:19: Und dann bin ich auch mal ein Stück mit dem Zug gefahren oder am Rhein, am Anfang auch

00:07:24: ein Stück mit dem Schiff und in Frankreich bin ich da mal getrennt und so.

00:07:28: Ja, und ab den Pyrenäen, also ab Saint-Jean, bin ich dann nur noch gelaufen bis nach Finestère,

00:07:35: ans Meer.

00:07:36: Bist du noch nach Andere Pilgerwege gelaufen?

00:07:38: Nein, tatsächlich nicht bis jetzt.

00:07:41: Also ich habe mich total verliebt in diesem Weg und ich bin während Corona, habe ich

00:07:48: auch mal ein bisschen hier Jakobswege ausprobiert in der Region.

00:07:51: Das ist aber was ganz anderes, weil da ja viel weniger Leute unterwegs sind und ich wandere

00:07:56: schon auch so gerne.

00:07:57: Ich würde auch total gerne mal irgendwie in die Alpen oder so, aber mich hat es einfach

00:08:02: immer wieder zu diesem Haupt-Kaminofranzess gezogen.

00:08:06: Ja, obwohl Menschen schon immer gepilgert sind und obwohl es bekannte Routen gibt,

00:08:12: obwohl es eine Pilgerinfrastruktur gibt und natürlich inzwischen auch wahrscheinlich

00:08:16: digitale Unterstützung beim Pilgern, ist Pilgern immer noch so ein Riesenabenteuer.

00:08:21: Und wenn ich meine eigene Reaktionen darauf begutachte, geht es mir da gar nicht anders.

00:08:26: Der erste Gedanke, der mir kommt, wo er so als Frau alleine unterwegs sein ist und der

00:08:32: Gedanke der Sicherheit.

00:08:34: Hast du das oder hattest du das damals, hat dich das verflüchtigt?

00:08:38: Also ich habe das absolut.

00:08:40: Ich würde sagen, ich bin einer der Menschen, die am meisten mit Angst zu tun haben, die

00:08:45: ich kenne.

00:08:46: Ich habe wahnsinnig viel Angst.

00:08:47: Ich hatte auch da unglaubliche Angst.

00:08:50: Also gerade die ganze erste Strecke, weil das ja eben kein offizieller Weg oder so war.

00:08:56: Da war ich ja sehr viel alleine und ich habe furchtbare Ängste ausgestanden, aber ich bin

00:09:01: halt einfach trotzdem weitergegangen immer.

00:09:03: Und was ich jetzt zum Beispiel nicht gemacht habe, das gibt es ja auch Leute, die halt

00:09:09: einfach ein Zelt mitnehmen und irgendwo draußen übernachten oder so.

00:09:12: Also das werde ich meins, nicht alleine.

00:09:15: Ich habe halt in Deutschland zum Beispiel am Anfang das Konzept gehabt, ich bin immer

00:09:18: auf die Kirchen zu gelaufen und habe dann versucht in den Kirchen oder Gemeindehäusern

00:09:25: oder so halt jemanden zu finden und zu sagen, hallo, ich laufe nach Santiago, kann ich hier

00:09:30: irgendwo übernachten.

00:09:31: Und da habe ich wirklich auch tolle Erfahrungen gemacht.

00:09:34: Also ich habe mal in einem Gemeindehaus übernachtet, in einem Kloster, einem riesigen Kloster

00:09:41: durfte ich in der leerstehenden Großküche schlafen.

00:09:44: In Frankreich hat mich eine alte Dame mit zu sich nach Hause genommen, ins Gästezimmer

00:09:49: oder auch da war ich in einem Kloster, in einem Priesterseminar, Wohnheim und so.

00:09:54: Also ich habe mir immer irgendwie Orte gesucht, wo ich mich schon auch sicher gefühlt habe.

00:09:59: Was würdest du denn so einem Pilgeranfänger oder Anfängerinnen raten?

00:10:03: Wie geht man das am besten an?

00:10:05: Also ich würde da gar nicht so viel pauschale Tipps geben können.

00:10:13: Ich würde sagen einfach so wenig wie möglich mitnehmen.

00:10:18: Genau, die nächste Frage wäre, was kommt in Rucksack und was lässt man am besten ganz

00:10:22: sicher zu Hause?

00:10:23: Genau, also das habe ich auch immer wieder beobachtet, dass ich finde, viele Leute haben

00:10:26: viel zu viele Sachen dabei, aber das ist auch ein bisschen subjektiv, weil ich zum Beispiel

00:10:30: kann es einfach nicht leiden, so viel zu tragen.

00:10:32: Also manche Leute sind da glaube ich entspannter, ich kriege wahnsinnig schlechte Laune, wenn

00:10:36: mein Rucksack so schwer ist.

00:10:38: Deswegen, also gerade bei meiner ersten Reise hatte ich extrem wenig dabei, also ich glaube

00:10:44: mein Rucksack hat unter 5 Kilo gewogen.

00:10:46: Es war aber auch Hochsommer, ich bin im 3.

00:10:50: August oder so bin ich losgelaufen.

00:10:52: Genau, also das wäre für mich so das A und O, so wenig wie möglich.

00:10:57: Dann, ich weiß, das ist schwierig und die meisten werden es nicht machen, jetzt noch

00:11:03: schwieriger als da, ich bin ja wie gesagt 2008 das erste Mal gelaufen, das ist ja schon

00:11:07: ein bisschen her.

00:11:08: Da hatte ich sowieso noch kein Smartphone, aber ich hatte ein normales Handy und das

00:11:12: hatte ich auch erst dabei, hab es aber nach 3 Tagen nach Hause geschickt und auch das würde

00:11:16: ich, wenn man es sich traut und zu traut, echt empfehlen.

00:11:21: Also weil das bringt einfach sehr viel Abstand und sehr viel Präsenz und man muss sich halt

00:11:29: anders behelfen, geht viel mehr in Kontakt und ist auch viel mehr in Ruhe, ist halt nicht

00:11:36: erreichbar und das waren alles Sachen, die für mich sehr wichtig waren.

00:11:41: Ja, Kontakt vor Ort, klar, man kommt ja vor allen Dingen in Kontakt mit sich, aber das

00:11:49: passiert natürlich besonders, wenn man alleine unterwegs ist, aber du hast auch Erfahrungen

00:11:52: mit Pilgern zu zweit, nämlich mit einem sehr besonderen Menschen, deiner Tochter, du

00:11:59: bist mit ihr schon gepigert und zwar sowohl als ihr ein Kleinkind war als auch dieses

00:12:03: Jahr im Teenageralter, erzähl mal davon.

00:12:07: Ja, also das ist ein ganz besonderer Bezug von meiner Tochter auch zum Jakobsweg, weil

00:12:13: ich bei meiner ersten Pilgerwanderung ganz am Ende bei Kilometer Null habe ich ihren

00:12:17: Vater kennengelernt und genau, der ist Engländer und im Prinzip kann man sagen, sie ist ein

00:12:28: Jakobswegkind, ja das war sehr kurz, sehr schön und dann auch schnell nicht mehr vorhanden

00:12:37: die Verbindung sozusagen, aber meine Tochter war eben da und ja, das war einer der Gründe,

00:12:43: warum ich eben doch zurückgekommen bin, weil ich auf einmal festgestellt habe, oh ich

00:12:47: bin nicht mehr alleine und ich wollte aber, nachdem ich das erste Mal eben da auf dem

00:12:54: Kamino Franzes war, eigentlich immer wieder dahin, jetzt war ich aber erst mal wieder

00:12:58: halt in Bonn mit Baby und so weiter, ja, da hat man ja andere Dinge zu tun oder das war

00:13:04: für mich auch nicht vorstellbar, direkt mit so einem kleinen Baby alleine auch noch und

00:13:11: dann habe ich aber eigentlich die ganze Zeit gewartet sozusagen, bis ich endlich wieder

00:13:16: auf dem Kamino konnte und habe das dann das erste Mal ausprobiert, als meine Tochter

00:13:21: Vier war, da sind wir das erste Mal zusammen halt nach Spanien gereist und da war ich auch

00:13:28: erst mal mit ihren Pilgerherbergen und so, da sind wir natürlich minimale Etappen gewandert

00:13:34: und jetzt auch nicht Tage am Stück und so, das war einfach so ein Ausprobieren und dann

00:13:39: hatte ich mir überlegt, okay wie kann ich jetzt irgendwie Zeit da verbringen, aber

00:13:43: halt ja nicht kontinuierlich waren dann und dann habe ich angefangen mit meinen Freiwilligtätigkeiten,

00:13:52: als Freiwillige.

00:13:53: Ich habe dann, als sie Vier war, mir das erste Mal eine Herberge gesucht, die mich als Freiwillige

00:13:58: genommen haben, das war beim ersten Mal nur eine Woche, da habe ich halt mit meiner Tochter

00:14:02: zusammen dann da diese Herberge geschmissen, als alleine.

00:14:05: Genau, das war so eine Probe, das war natürlich auch krass, ich war da auch für alles verantwortlich

00:14:14: und es war auch eine riesen alte Kirche, für die hatte ich auch den Schlüssel und musste

00:14:17: mich da um die Pilger kümmern und so und ja, aber da habe ich gemerkt, es geht irgendwie

00:14:24: und dann habe ich, als sie Vier war, das noch mehrmals wiedergemacht, einmal war ich für

00:14:30: drei Monate mit ihr sogar in der privaten Herberge als Freiwillige und dann noch zweimal

00:14:37: jeweils ein Monat in der Herberge in León von einem Kloster, also wieder als Freiwillige.

00:14:42: Also hast du es richtig von der anderen Seite auch kennengelernt?

00:14:45: Absolut, ja.

00:14:46: Die Viergerin.

00:14:47: Genau.

00:14:48: Und dann, als sie sechs geworden ist, habe ich beschlossen, dass ich jetzt anfange mit

00:14:53: ihr den ganzen Kamino zu gehen, aber halt in Stücken, weil dann war sie ja auch schulflichtig

00:14:58: und es ging nur noch in den Ferien und so und dann haben wir, genau, als sie sechs war,

00:15:03: mit der Pirinäenübergwährung angefangen, das finde ich auch immer noch selber wahnsinnig

00:15:09: beeindruckend, dass das funktioniert hat, allerdings.

00:15:12: Und dann sind wir eigentlich jedes Jahr mindestens einmal wiedergekommen, wurden dann irgendwann

00:15:18: gestopft von Corona, da hatten wir, ich glaube drei Jahre sogar, haben wir Pause gemacht.

00:15:24: Ja, und dann bin ich den ganzen Weg mit ihr durch, also wir haben auch an den absurdesten

00:15:28: Orten dann zum Teil aufgehört in irgendwelchen Dörfern, dann musste man da irgendwie immer

00:15:32: wieder hinkommen und so.

00:15:33: Und jetzt, letztes Jahr, als sie 14 war, sind wir in Santiago angekommen und dieses Jahr

00:15:40: sind wir von Santiago noch nach Viennister gelaufen.

00:15:43: Oh, was?

00:15:44: Und die macht das ganz tapfer mit.

00:15:46: Also für die ist das halt irgendwie total normal, ne?

00:15:51: Also die wundert sich immer, was es gibt Leute, die haben noch nie in Pilgerherbergen

00:15:55: immer Nacht, das ist ja komisch.

00:15:57: Und es war halt jetzt nochmal spannend, ja, wie ist das mit einem Teenager, ne?

00:16:03: Also ich wusste auch gar nicht, ob sie da noch Lust drauf hat und so, aber wir haben es

00:16:07: dann eben letztes Jahr ausprobiert und ja, das ist super.

00:16:13: Also die läuft halt jetzt fitter und weiter als ich.

00:16:18: Und klar ist sie zwischendurch genervt und wir sind genervt voneinander oder so, aber

00:16:24: eigentlich hat sie da Bock drauf.

00:16:27: Also schön, das ist ein unglaublich prägendes Erlebnis für so einen jungen Menschen und

00:16:32: auch ein gutes Vorbild, wie ein nachhaltiges Reisen funktioniert.

00:16:35: Denn wenn man mal so eine Checkliste durchgeht, allein dieses Fütz zu Fuß gehen, bekommt

00:16:40: ja das Pilgern für die Ökologie bereits volle Punktzahl.

00:16:44: Wie ist das denn mit der Anfahrt sonst?

00:16:46: Beim ersten Mal bist du komplett hingelaufen, mehr oder weniger mit Unterbrechung, aber

00:16:50: wie ist sonst die Anreise?

00:16:52: Wir sind auf so viele verschiedene Arten da schon hingekommen.

00:16:55: Ich bin mit meiner Tochter schon mit dem Bus hingefahren, also ich glaube mit einem

00:17:02: Stopp in Freiburg sind wir dann irgendwie 19 Stunden bis Barcelona und dann von Barcelona.

00:17:07: In Spanien gibt es ja super viele von diesen Überland-Bussen.

00:17:10: Mit dem Bus, dann sind wir mit einer Mitvergelegenheit, hatten eine Mitvergelegenheit bis Bayonne in

00:17:18: Südfrankreich.

00:17:19: Dann habe ich einmal ausfindig gemacht, dass es so Pilgergesellschaften gibt, die regelmäßig

00:17:25: Reisen nach Lourdes organisieren und da war ich auf meinem ersten Weg auch schon.

00:17:29: Und dann habe ich gedacht, ah ja Lourdes, das ist ja super, das ist ja schon mal nah an

00:17:33: Saint-Jean und dann habe ich mal so eine Pilgergesellschaft kontaktiert.

00:17:37: Dann sind wir mit so einem Pilger-Sonderzug mitgefahren, das war auch eine abgefahrene

00:17:41: Erfahrung.

00:17:42: Dann habe ich mal so eine bayerische Pilgergesellschaft kontaktiert, die mit Reisebussen auch nach

00:17:48: Lourdes gefahren sind.

00:17:49: Da durften wir dann auch mit so einem bayerischen Reisebus mitfahren und ab und an sind wir

00:17:56: natürlich auch mal geflogen.

00:17:58: Da wo gepilgert wird, entsteht ja auch sofort eine Infrastruktur.

00:18:04: Das war schon im Mittelalter und in der Antike, da entstehen Herbergen, Kirchen, Bauten,

00:18:09: da werden so wie Nias verkauft.

00:18:11: Das ist ja ein ganz großer Rummel drumherum teilweise.

00:18:14: Ich war auch mal in Fatima in Portugal.

00:18:16: Das hatte mit Besinnlichkeit so ein....

00:18:20: gar nichts mehr zu tun, Spiritualität hat man da wirklich gesucht und nicht gefunden. Das hat

00:18:23: ja schon echt was vom massentouristischen Auflauf. Das wird in Santiago wahrscheinlich

00:18:30: ähnlich sein, wenn die Pilger da ankommen, oder? Ja, also das ist ja von vielen auch der Kritikpunkt,

00:18:35: die dann auch sagen, nee, der Camino Francesco, der ist mir zu touristisch und der ist zu voll

00:18:40: und das ist nicht mehr derselbe wie früher und so. Also ich muss sagen, ich habe da ehrlich gesagt

00:18:44: eine ganz andere Position. Mir geht das nicht so. Ich habe das Gefühl, da ist irgendwas in der

00:18:51: bestimmte Stimmung oder Atmosphäre oder so, die für mein Gefühl irgendwie nicht kaputt gehen kann.

00:18:59: Ich meine, klar finde ich es auch mal zu voll oder finde es dann schöner, wenn es ein bisschen

00:19:04: weniger Leute unterwegs sind oder so. Oder es gibt diese Bus-Pilger-touristischen Sachen,

00:19:11: die dann irgendwie nerven. Aber im Prinzip, ich empfinde es nicht als so sehr störend. Ich glaube,

00:19:19: aber auch weil das auch Seiten hat, die ich sehr mag. Also ich hatte ja auf meinem ersten Weg

00:19:24: wirklich auch beide Erfahrungen, dass ich am Anfang eben so ganz planlos und alleine unterwegs war

00:19:31: und dann so in die Megainfrastruktur eingestiegen bin ab den Pyrenäen und ich war dafür sehr dankbar.

00:19:38: Später halt auch erst recht mit Kind, weil halt einfach, das wird einem sehr einfach gemacht.

00:19:44: Du kannst im Prinzip alle paar Kilometer übernachten. Du findest immer irgendwas zu essen. Du hast

00:19:51: immer Leute, da mit denen du in Kontakt treten kannst. Also ich mag vieles daran auch.

00:19:59: Ja und ist man denn auf dem Wegen auch dann streckenweise auch alleine und einsam und dann

00:20:04: kommt man abends irgendwo an und dann ist unter Umständen ne Herberge von 200 Leuten. Wie wird

00:20:09: man damit fertig? Naja also ich würde jetzt schon sagen auf dem Hauptweg, dass man da wirklich

00:20:16: einsam ist. Das ist schon selten. Es kommt drauf an. Ich war auch schon zu allen Jahreszeiten da. Das

00:20:22: kommt natürlich auch so ein bisschen drauf an zu welcher Jahreszeit du gehst. Also wenn man

00:20:25: Einsamkeit möchte, sollte man im Winter gehen. Da ist einfach sehr sehr sehr viel weniger los.

00:20:31: Ansonsten ja es ist irgendwie nicht so richtig logisch. Also manchmal sieht man über Stunden

00:20:38: niemanden und denkt ach es ist ja wenig los und dann auf einmal läuft man in einen nach dem

00:20:43: anderen rein. Ja das ist wirklich so eine Mischung. Aber man kann schon sagen also auf dem Kamino

00:20:49: von Neuzest ist viel los und vor allem diese Komposteller, diese Urkunde, die ist mir jetzt

00:20:55: persönlich völlig wurscht, aber manchen Leuten ist die wichtig. Die bekommt man halt sobald man

00:21:00: die letzten 100 Kilometer gelaufen ist und ab dem Absarja, so heißt der Ort da, 100 Kilometer

00:21:08: vor Santiago, also da wird es wirklich voll. Also das fand ich aber auch wirklich lustig,

00:21:12: weil dann hat man wirklich teilweise das Gefühl, das ist wie so ein Party-Kamino. Also da laufen

00:21:16: auch Leute mit Musik und den Gruppen, komplette Schulklassen laufen da und so ist irgendwie auch

00:21:22: spannend finde ich. Ja Pellgern ist ja auch ursprünglich religiös motiviert. Jetzt hast du die Urkunde

00:21:28: schon angesprochen. Hast du feststellen können, ob das bei Pellgern noch eine Rolle spielt, also

00:21:35: dieses religiöse oder ist das mehr vollklore? Es ist einfach alles dabei und das ist auch eine

00:21:40: der Sachen, die ich an dem Kamino so gerne mag. Also ich finde es ist einfach, es sind super viele

00:21:46: Länder dabei. Das war für mich auch oder ist es immer noch so eine nicht endende Faszination,

00:21:50: was man für Leute trifft aus Ländern, von denen ich noch nie gehört habe. Alle Altersgruppen

00:21:58: sind sozial verschieden, natürlich jetzt nicht total extrem verschieden, aber und auch die Motivationen

00:22:06: sind total verschieden. Also du triffst Leute, die machen das als Sport, andere Leute machen es,

00:22:14: weil sie gern wandern, dann gibt es wieder Leute, die es machen, weil sie irgendein Thema mit sich

00:22:20: rumtragen, also gar nicht wenige. Ja was was ich jemand ist gestorben, eine schlimme Krankheit,

00:22:24: eine Trennung, irgendwie sowas. Religiöse Motivationen genauso, also es gibt auch sehr,

00:22:32: sehr religiöse. Ich fand vor allem, was mich überrascht hat, aus Südkorea sind ja sehr

00:22:39: viele Leute da und die Katholiken aus Südkorea, die sind wirklich sehr katholisch. Also,

00:22:45: nö und auch das spiegelt sich auch in den Herbergen, es gibt alles. Also es gibt eben Klosterherbergen,

00:22:51: wo halt auch gebetet wird oder Pilgersägen angeboten werden. Es gibt sozusagen so staatliche

00:23:00: Herbergen, municipale, es heißen die, dann gibt es private, es gibt welche, die sind total touristisch,

00:23:07: es gibt welche, die sind total esoterisch. Ist irgendwie alles dabei. Ja, ich krieg langsam eine

00:23:13: Idee davon, warum Pilgerweg und nicht einfach einen anderen Fernwenderweg, wenn du so darüber

00:23:18: sprichst. Genau, auf die Frage, wo der Jakobsweg beginnt, ist die Standardantwort und jetzt

00:23:25: verzeiht man mir hoffentlich mal ein schlechtes Spanisch. El Camino Comencia en su casa,

00:23:32: also der Weg beginnt bei dir zu Hause. Ich mag die Antwort wegen dieser Vielschichtigkeit.

00:23:38: Wie verstehst du den Satz? Also ich würde das gar nicht vorher so verstehen, könnte man natürlich

00:23:44: auch und in meinem Fall stimmte es ja auch beim ersten Mal. Für mich ist das ein Satz, den man

00:23:50: oft hört, wenn man fertig ist mit Pilgern, dass dann eigentlich der eigentliche Camino beginnt,

00:23:57: sozusagen, weil das da zu sein im Vergleich vielleicht einfacher ist. Also man hat irgendwie so ein

00:24:05: klares Ziel, die ganze Zeit unterwegs und hat sich vielleicht irgendwas vorgenommen oder wünscht

00:24:09: sich Veränderungen im Leben und so weiter und während man da unterwegs ist, denkt man auch so,

00:24:14: ja toll, es ist alles ganz anders und so und dann kommt der große Knackpunkt, wenn man dann eben

00:24:21: doch zurückkehrt, wie das ja die meisten tun, in sein normales Umfeld, in die alten Strukturen

00:24:27: und so weiter, dann einfach zu sehen, okay, wie kann ich hier jetzt mein Weg fortsetzen? In dieser

00:24:35: Fremde, wie haben wir gehört, Pilgern, kommt von sich der Fremde aussetzen, wird man da in der

00:24:41: Fremde wieder ein bisschen vertrauter mit sich? Also für mich war es halt so, dass man, was mir

00:24:47: wahnsinnig gut getan hat, ist diese Reduzierung auf so elementarwichtige Dinge. Das fängt ja

00:24:54: schon an mit sehr wenig Besitz sozusagen, ja, also sehr wenig Dinge dabei zu haben,

00:25:01: jeden Tag neu zu gucken, wo gehe ich hin, wo lande ich, wo schlafe ich, ich muss mich einfach

00:25:09: um meine ganz basalen Bedürfnisse kümmern. Es gibt eigentlich ja immer so einen gleichen Rhythmus,

00:25:14: man läuft morgens früh los, kommt irgendwann an, muss seine Sachen waschen, gerade wenn man

00:25:20: wenig dabei hat, muss man wirklich jeden Tag waschen, sich seinen Bett suchen, das beziehen,

00:25:25: duschen, sich was zu essen organisieren. Das sind irgendwie so ja ganz simple Dinge und mir hat

00:25:34: das irgendwie so wahnsinnig gut getan, auch eben in der Form von Kontakt zu sich selbst. Und auch

00:25:42: bei den freiwilligen Tätigkeiten ist es ganz ähnlich, weil da macht man auch ganz naheliegende

00:25:46: Dinge, die Pilger kommen, man muss denen zeigen, wo ist ihr Bett und so weiter, sich um die kümmern.

00:25:51: Am nächsten Morgen sind die weg, dann muss man einfach putzen, dann muss man irgendwie sich um,

00:25:57: was weiß ich, das Essen kümmern und so. Also das war für mich wahnsinnig angenehm einfach.

00:26:05: Das eine ist ja so das Alltägliche und die Organisation, das andere ist ja das Laufen.

00:26:10: Und wenn man jetzt so unterwegs ist, für wen ist das vorderender, das Pilgern für den Geist

00:26:17: oder für den Körper? Also das kann man nicht pauschal beantworten, das kommt auch drauf an,

00:26:24: was für Päckchen du mitbringst, würde ich sagen. Also für mich war das seelische oder

00:26:33: geistige definitiv viel, viel, viel schwerer. Also gerade auf meinem ersten Kamino habe ich das

00:26:39: Gefühl, ich bin da mit einer Leichtigkeit durchgegangen. Also ich hatte auch keine einzige Blase,

00:26:44: kein Knieproblem, kein Rückenproblem, gar nichts. Klar ist man zwischendurch erschöpft und bei mir

00:26:51: war es auch eben da wahnsinnig heiß. Das fand ich eher eine Wohltat. Also ich empfinde das auch

00:27:00: nach wie vor einfach als was ganz Natürliches. Das ist einem so inne, so finde ich, dieses Laufen.

00:27:09: Das hatte für mich nichts von Überwindung oder Anstrengung oder so. Und dieser Rhythmus des

00:27:16: Genes, den man dann ja auch findet, überträgt er sich auch ein bisschen auf die Gedanken, dass

00:27:20: da das Geist und Körper vielleicht auch mal wieder in Kontakt kommen und nicht so. Ja, also fand

00:27:26: ich schon, das hatte was sehr Beruhigendes. Also ich hatte ja eben wie gesagt auch kein Handy dabei

00:27:29: oder sonst irgendwelche Sachen zur Musik hören oder so. Also ich finde man hat halt auch wenig

00:27:36: anderen Input so oder halt nur das, was man eben da auf dem Weg sieht oder die Leute, die man trifft

00:27:41: und findet so im Idealfall sehr zum eigenen Tempo. Also das würde für mich auch zu den Sachen

00:27:50: gehören, die ich Leuten empfehlen würde, die den Weg selber gehen wollen oder irgendeinen Weg

00:27:55: darauf zu achten, im eigenen Tempo zu gehen und das zu finden. Weil ich glaube oder meine

00:28:03: Erfahrung auch, als ich da als Freiwillige in den Herbergen war, das machen viele in Anzungsstrichen

00:28:08: falsch. Weil man halt auch gerade wenn man alleine geht, dann vielleicht so wahnsinnig froh ist,

00:28:13: dass man Leute findet und denkt, hurra, jetzt habe ich hier meine Gruppe gefunden und dann gehen

00:28:18: viele eben in Gruppen zusammen, passen sich dann dem Tempo an von anderen, die gehen dann vielleicht

00:28:24: viel schneller als man selber gehen würde und ich habe oft das Gefühl, das geht nach hinten los.

00:28:29: Also sowohl körperlich als auch was so das bei sich sein und auch dann so die bleibende Offenheit

00:28:36: so betrifft. Gehst du, wenn du heute losgehst mit einem inneren Ziel los? Wenn ich jetzt auf

00:28:43: ein Kamino wieder fahre. Ja eigentlich immer wieder dieses Gefühl so wieder zu finden,

00:28:52: was mich da so begeistert hat. Also ich habe das einfach als sehr spezielle Atmosphäre da erlebt,

00:29:01: eben auch ganz anders als ich das von anderen Orten und Reisen kenne, nämlich einfach,

00:29:05: dass die Leute generell irgendwie offener sind und das trifft auch auf mich zu, dass ich einfach

00:29:12: da das Gefühl habe, ich bin irgendwie offener und kann mich besser connecten auch so sowohl mit mir

00:29:20: selbst als auch mit anderen und dieses Gefühl von Verbundenheit und ja das ist was, was ich sehr

00:29:28: schön finde und was ich da auch immer wieder suche. Und wie wirken sich deine Pilgererfahrung auf

00:29:35: deine literarische Arbeit aus, das würde mich interessieren. Ich habe tatsächlich einen

00:29:42: längeren Text geschrieben, also für mich länger, der ist 200 Seiten lang im Prinzip über diesen

00:29:49: Weg. Das ist nicht hundertprozentig autobiografisch, aber orientiert sich sehr daran, also die Hauptfigur

00:29:56: läuft von zu Hause los und läuft durch Deutschland und Frankreich und in Spanien auf dem Kamine

00:30:02: und dann überquert sie noch den Atlantik und ist dann in den USA unterwegs und so. Also es geht ein

00:30:07: bisschen weiter, aber ja das schließt auf jeden Fall immer wieder in meine Texte ein, also auch

00:30:13: jetzt in die kürzere Texte. Da gibt es ein paar Kaminotexte. Schreiben, im Schreiben wendet man

00:30:20: sich ja schon wieder auch an andere und du hast schon irgendwie anklicken lassen, dass das

00:30:25: Begegnung mit anderen vor Ort auf dem Pilgerweg auch einen sehr großen Raum einnimmt und sehr

00:30:30: bedeutsam ist. Lernt man denn beim Pilgern anders mit sich umzugehen und zu kommunizieren und mit

00:30:37: der Umwelt? Also ich denke jetzt nicht nur vor Ort, wo du gesagt hast du bist jetzt da sehr viel

00:30:41: offener, sondern dass wir eben wieder mit nach Hause zu nehmen. Also ob man das jetzt pauschal

00:30:48: lernt, das kommt ja wieder sehr auf die Personen selbst an und auf dein Grad an Offenheit, der so

00:30:55: möglich ist für jeden. Also ich finde auf jeden Fall es bietet die Chance das zu tun und für mich

00:31:01: alleine schon ist auch das mit den Sprachen zum Beispiel. Also das habe ich auch sehr mitgenommen,

00:31:08: meine neuesten lyrischen Texte. Da ist im Januar mein letzter Gedichtband erschienen. Die sind auch

00:31:15: gemischt. Also da gibt es welche, die sind deutsch-englisch-spanisch gemischt zum Beispiel und

00:31:20: ich glaube auch, dass das was ist, was mit aus dieser Erfahrung kommt, weil man einfach ja auch

00:31:25: permanent die Sprache wechselt. Also ich finde allein schon das erzeugt eine große Beweglichkeit

00:31:29: im Kopf, wenn man dann irgendwie sich in anderen Sprachen verständigen kann. Aber das kann man

00:31:34: natürlich lernen und das ist für mich allein schon eine ganz andere Vielfalt und Offenheit,

00:31:41: als ich die so in meinem, oder als die viele Menschen in ihrem Alltag so haben. Jetzt leben wir

00:31:47: ja in einer Gesellschaft, in der Individualität zumindest vordergründig, der propagiert wird

00:31:52: und als großes Gut gehandelt wird. Und das Individuum auch ermuntert wird, eigene Wege zu

00:32:00: gehen, Dinge neu zu denken. Jetzt geht man aber auf so ein Pilgerweg, ein Weg, der wirklich schon

00:32:06: von tausenden Menschen Jahrhunderte vor einem begangen wurden. Ist das irgendwie ein Widerspruch?

00:32:12: Geht man da ausgetretene Pfade? Ja, gute Frage. Vielleicht hat das auch gerade was erleichtern,

00:32:20: dass man da mal nicht so den eigenen Weg suchen muss oder halt dann innerlich mehr Raum hat,

00:32:25: sich mit Dingen auseinanderzusetzen. Also für mich hatte das eben auch was wahnsinnig erleichtern

00:32:31: das. Wie ich schon gesagt habe, ein klares Ziel zu haben, einen klaren Weg dahin. Der ist auch

00:32:38: wirklich sehr deutlich gekennzeichnet. Also man muss sich schon anstrengen, wenn man sich da verlaufen

00:32:42: will. Ich glaube mir ist es einmal gelungen und dann findet einen garantiert irgendeinen Dorfbewohner,

00:32:47: der einen wieder auf den richtigen Weg schickt. Klappt mir würde das öfter gelingen. Ja, aber

00:32:51: manchmal kann man auch gar nicht. Man will zum Beispiel vielleicht irgendwo anders lang,

00:32:54: weil man zum Supermarkt möchte, dann kommt irgendjemand an und sagt, no, no El Camino.

00:32:57: Ja, ja, ich weiß, ich wollte nur kurz zum Supermarkt. Also das ist einfach ganz klar gekennzeichnet.

00:33:05: Und ich fand das hatte mal ja auch wie so eine Pause von diesem ständigen Suchen, wo will ich

00:33:13: hin, wo muss ich lang und so. Ich fand das hat was sehr Wohltunes und eben auch, dass das sehr

00:33:19: viele Menschen schon voreingegangen sind, nach einem Tun werden und auch parallel tun. Das hat

00:33:26: ja auch was Wahnsinnig Verbindendes. Alle Leute, die da sind, haben das gleiche Ziel. Ja, wie geht's

00:33:34: denn jetzt weiter, Maria? Hast du die nächsten Pläne? Ja, also dieses Jahr war es tatsächlich so,

00:33:39: dass wir in den Pilger her sagen, das ist ja auch sehr speziell mit dem Schlafen da. Manche

00:33:43: lieben es, andere hassen es. Ich habe es eigentlich immer sehr geliebt. Jetzt hatten wir dieses Jahr

00:33:49: wirklich mehrere Nächte nacheinander, wo wir beide so unglaublich schlecht geschlafen haben,

00:33:54: dass ich irgendwie nach der fünften Nacht zu meiner Tochter gesagt habe, sagen wir mal, sollen wir mal

00:33:58: ein paar Schalung oder auch machen. Und sie hat auch gesagt, die so, ja. Aber gleichzeitig, kurze

00:34:04: Zeit später haben wir dann auch schon wieder überlegt, welchen Camino wir jetzt als nächstes

00:34:09: gehen. Also eine Idee wäre natürlich einfach wieder von vorne anzufangen. Aber aktuell denken

00:34:14: wir jetzt über den Camino Portugues nach. Einmal, weil es ein sehr schöner Weg auch sein soll, der

00:34:21: auch teilweise an der Küste entlang führt. Und dann hat er auch noch zwei Länder und ist nicht so

00:34:26: lang. Ist das der, der von Süden, von Portugal, parallel zur Küste? Ja, aber der geht dann relativ

00:34:32: schnell ins Landesinnere und genau landet auch in Santiago halt. Ja, mit diesem Ausblick auf

00:34:38: schöne Pilgerreisen kommen wir auch schon zum Ende unseres Gespräches. Es fehlt aber noch die

00:34:44: Staffelfrage, Maria. Nämlich für den Nächsten darfst du eine Frage hinterlassen und was würde

00:34:50: dich denn so interessieren? Also wir sind da mehrere Ideen gekommen. Ich habe mich überlegt, was

00:34:57: mich am meisten interessieren würde. Wenn du genug Geld hättest, also Geld würde keine Rolle spielen

00:35:07: und du wärst nicht beruflich oder familiär gebunden. Was würdest du machen? Ja, darüber werde ich

00:35:16: nachdenken. Ja, ich bedanke mich ganz, ganz herzlich bei dir, Maria. Pegan, der steht nämlich

00:35:23: schon länger auf meiner To-do-Liste und ist jetzt gleich in der Liste noch etwas weiter nach oben

00:35:28: grutscht, nach unserem Gespräch. Vielen Dank. Danke auch. Ja, bisher hatte ich leider noch keine

00:35:33: Gelegenheit in einem Gedicht oder Erzählern von Maria zu stöbern, aber das werde ich jetzt in

00:35:38: den Weihnachtsfällen definitiv nachholen. Und wahrscheinlich sind Marias Bücher bei dem einen

00:35:43: oder anderen von euch jetzt ebenfalls auf der Wunschliste gelandet und damit der Wunsch nicht

00:35:48: unerfüllt bleibt, schreibe ich euch Titel und Bezugsquellen in die Shownotes. Also,

00:35:54: falls euch Pegan reißt, ihr aber Bedenken habt, euch auf eigene Faust ins Abenteuer zu stürzen,

00:35:59: findet ihr auf unserer Homepage www.wirsindanderswo.de auch Reiseveranstalter, die Pilgereisen

00:36:05: organisieren mit und ohne Kind. Mehr nachhaltigen Urlaub gibt es auch im Anderswo-Magazin,

00:36:11: die Ausgabe 2025 ist so eben erschienen und kann bei uns bestellt werden. Aber jetzt seid

00:36:16: ihr gefragt, seid ihr schon mal gepilgert? Uns interessieren eure Erfahrungsberichte und

00:36:22: Kommentare zum Beispiel auf unseren Social Media Kanälen, wie ihr uns erreicht, auch das

00:36:26: verlinke ich euch in den Shownotes. Ja, danke fürs Zuhören und bis bald, eure Christina Kühne.

00:36:31: [Musik]

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